Bosco hat eine Meise.

Drei.

Bosco hat eine Meise. Streng genommen hatte er eine Meise.

Einen Vogel hat er aber immer noch. Und das seit knapp fünf Jahren. Ich hab ihn trotzdem sehr gern.

Rückblick.

Es ist Montag, der 30. Oktober 2017. Die Tage in Frankfurt sind nicht mehr warm, aber noch nicht klirrend kalt. Ich beschloss daher heute morgen, das Küchenfenster in meiner Wohnung zu kippen. Fatal.

Über acht Stunden später.

Feierabend. Ich spaziere routiniert die 756 Meter von der Arbeit nach Hause. Die Zigarette vor der Eingangstür elegant weggeschnippt, betrete ich den Hausflur, gehe weitere zwei Meter in Richtung Wohnung und bin kurz davor, die Tür aufschließen.

Aber Moment. Irgendwas ist heute anders. "Was ist das für ein Geräusch?", frage ich mich selbst. "Kommt mir bekannt vor. Jemand lässt meine Badewanne ein", antworte ich mir umgehend. In Gedanken sehe ich Bosco in der sich füllenden Wanne liegen. Ich mache die Tür auf. Er charmant brummend und mit der Pfote winkend zu mir: "Hey Chef, komm rein. Mach dir ein Bier auf und bring mir ein großes Schweineohr aus der Küche mit!".

Verrückte Vorstellung. Gefällt mir aber irgendwie.

Bosco im Bad.
Ich betrete also die Wohnung. Nach der obligatorischen und recht gewöhnlichen Hund-Chef-Begrüßung gehe ich sofort ins Bad. Erstaunlich, Bosco war tatsächlich in der Wanne gewesen. Pfotenabdrücke sind so verräterisch. Gut, ich drehe das Wasser wieder ab.

Aber warum ist der Trottel heute freiwillig in die Badewanne gesprungen?

Haben womöglich Einbrecher ihr Glück versucht und Bosco ist aus Furcht in die Wanne geflüchtet? Haha. Eher unwahrscheinlich. Potenzielle Einbrecher laden sich spätestens nach dem ersten Blickkontakt mit Bosco selbst wieder aus.

Ich gehe der Sache sofort nach und betrete das Wohnzimmer, schaue mich um. Kurzer Schluckauf, der Blutdruck steigt. Bosco wird augenblicklich herbeizitiert. Ich: "Was hast du da gemacht?" Bosco erwägt erste Fluchtgedanken. Ich mit Nachruck: "Was hast du da gemacht?!" Bosco verzichtet auf eine Stellungnahme und zieht sich zurück. Ich werte das als ein Schuldeingeständnis.

An dieser Stelle ein kurzer einen Auszug aus dem Verwüstungsprotokoll des Wohnzimmers:

- eine zerrissene und zerbissene Couchdecke
- vier auf dem Fensterbrett umgeworfene Bilder
- ein derangierter Esstisch
- drei derangierte Essstühle
- eine auf den Teppich gewanderte Playstation
- eine nicht mehr zu rettende Zimmerpflanze

Und: Vogelschiss.

Die Badewanne mit Pfotenabdrücken, der offene Wasserhahn, das umgestaltete Wohnzimmer und der Vogelschiss - das alles ergibt nun endlich einen Sinn. Bosco hat Besuch. Aber wo ist der Besucher? Und wie kommt der Besucher in die Wohnung?

Ich beginne mit der Suche. Nochmal ins Bad. Fehlanzeige. Ab in die Küche. Ich erinnere mich an das gekippte Küchenfenster. Ich sehe mich um. Jackpot. Da liegt er, der Vogel. Sie, die Meise. Direkt unter dem Fenster. Ich untersuche den Besucher, den Eindringling. Ich kann nur noch den Tod feststellen.

Die Meise und die Aufback-Btrötchen.
Bosco hat die Meise selbstverständlich nicht auf dem Gewissen. Also nicht aktiv. Sie ist frei von Sabber und Zahnabdrücken. Und: Er wollte sie definitiv nicht fressen. Statt der toten Meise, gönnte er sich nach ihrem Ableben lieber zwei nicht aufgebackene Aufback-Brötchen. Er ist wahrlich ein großer Gourmet.

CSI Meise.

Mit Hilfe ein paar picken gebliebener Federn auf dem gekippten Küchenfenster sowie dem Fundort der Leiche, löse ich den Fall sehr schnell. Es war letztendlich ein tragischer Unfall. Das Fangen spielen der beiden schien zu eskalieren. Abrupt beendet durch das Küchenfenster. Zu abrupt für die Meise und ihr zartes Genick.

Nachdem sie Bosco für einen Tag so viel Abwechslung beschert hatte, kann ich die arme Meise nicht einfach tot in der Küche liegen lassen. Aber wo hin mit ihr? Eine schnelle Bestattung draußen vor der Küche? Keine schlechte Idee. Leider wurde es schon dunkel, ich bin zum Essen verabredet und auf Grund des Meisen-Vorfalls schon viel zu spät dran.

So bleibt mir nur eine Option. Der Müllschlucker. Ich bin ein schlechter Mensch.

Was bleibt: Bosco und seine Meise. Makaber. Aber Eine wahre Halloween-Geschichte.







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